Die Geschichte der ÖGM

 

Die Gesellschaft für Musik – ein Ort, eine Institution, ein Freundeskreis, wo Musiker sprechen, Dirigenten debattieren, Komponisten ihre Intentionen darlegen, Wissenschaftler ihre Meinungen vertreten, kurzum, eine Gesellschaft, die den Persönlichkeiten der Kultur die Gelegenheit bietet, Persönliches mitzuteilen, die Brücke zum Publikum zu beschreiten, sich in Monolog oder Diskurs zu öffnen.“ – Gottfried Scholz

 

Die Österreichische Gesellschaft für Musik wurde 1964 von Harald Goertz gegründet und hat bereits in ihrer Anfangszeit Begegnungen zwischen Komponisten, Interpreten, Wissenschaftlern, Pädagogen und Medien durch die Veranstaltung von Vorträgen, Roundtables, Diskussionen und Symposien vermittelt. Daneben standen Buch- und CD-Präsentationen, gelegentlich Ausstellungen und öffentliche Arbeitsproben prominenter Ensembles auf dem Programm.
Gleich die ersten beiden Veranstaltungen im Herbst 1964 galten Ernst Krenek und Egon Wellesz und damit den beiden zu dieser Zeit bedeutendsten, noch lebenden österreichischen Komponisten, die ins Exil mussten und nur mehr besuchsweise in ihre frühere Heimat kamen. Es war dies noch kein explizites Befassen mit dem Themenkreis „Musiker im Exil“ (dieses setzte erst ein Vierteljahrhundert später ein und manifestierte sich auch in einem markanten Symposion der ÖGM 1988), sondern es war eher in Zeichen persönlicher Verbundenheit über historische Brüche hinweg. In die ÖGM wurden aber kreative Kräfte aus allen Bereichen eingeladen: Speziell in den frühen Jahren kamen Größen, wie Benjamin Britten, Olivier Messiaen, Dmitri Schostakowitsch, Igor Strawinsky: Wenn sie in Wien waren, wurden sie auch in die Hanuschgasse gebeten. Aber auch die damals noch Jungen wurden eingeladen: Friedrich Cerha, György Ligeti, Paul Kont, Gerhard Wimberger, Helmut Eder; später stellten Ivan Eröd oder Erich Urbanner; Otto M. Zykan, Kurt Schwertsik und HK Gruber neue Wege musikalischer Präsentation vor; Roman Haubenstock-Ramati und Anestis Logothetis solche neuer Notation; elektronische Wege wurden erkundet; und auch international war man breit aufgestellt: Luigi Nono, Luciano Berio waren ebenso in der Hanuschgasse wie Bernd Alois Zimmermann, Cristóbal Halffter oder Krzysztof Penderecki; oft wurden ganze Länderportraits geboten, wie die „Woche zeitgenössischer französischer Musik in Wien“, neue Musik aus der CSSR oder aus Polen, eine „British Music Week“.
Zu einem zweiten Standbein wurden die wissenschaftlich orientierten Veranstaltungen, die etwas später und zunächst weniger dicht gesät einsetzten. Standen anfangs einzelne Personen als Vortragende im Fokus – Kurt Blaukopf, Theodor W. Adorno, Josef Rufer, Willi Reich, Georg Feder für die Haydn-Gesamtausgabe, Carl Dahlhaus, Rudolf Stephan, Peter Gülke – entwickelte sich immer stärker auch eine Verdichtung zu Symposien. In den Siebziger Jahren waren etwa das Webern-Symposion 1972, das zu Beethoven 1977 oder zu Mahler 1979 rare Sensationen.
Wichtig waren auch als drittes Standbein die Interpreten, die zu Diskussionen über „Stagione oder Ensemble?“, das Aufkommen der „Alten Musik“ und ihrer Instrumente oder den „Wiener Klangstil“ kamen oder auch im persönlichen Künstlerportrait präsent waren wie Paul Badura-Skoda, Erich Leinsdorf, Irmgard Seefried, Wolfgang Windgassen, Anton Dermota, Wolfgang Sawallisch, Josef Mertin oder Nikolaus Harnoncourt, schon zu einem Zeitpunkt (1969), wo er noch sehr viel Gegenwind zu spüren bekam.
Besondere Akzente gaben auch Arbeitsproben mit vielen Ensembles, oder Rekonstruktionen von Darbietungen des „Vereins für musikalische Privataufführungen“. Doch waren trotz all dieser klingenden Namen, die man ebenfalls noch lange fortsetzen könnte, die Bereiche Komponieren und Wissenschaft größenordnungsmäßig immer dominierend.
Die Geschichte der Österreichische Gesellschaft für Musik ist eng mit ihrem ersten Präsidenten Harald Goertz verknüpft, der sie aufbaute und bis zum Jahr 1997 leitete. Er hat seine zahlreichen Verbindungen über die er als Hochschulprofessor, Korrepetitor an der Wiener Staatsoper und Musikpublizist verfügte, effizient eingesetzt und mit einer Gruppe von Mitstreitern über lange Jahre hindurch diese ansprechenden Programme gestaltet. Nach 33 Jahren hat Goertz 1997 dann das Präsidenten-Amt an die Schubert-Forscherin Walburga Litschauer übergeben. Gemeinsam mit Carmen Ottner als Vizepräsidentin wurde das Programm fortgesetzt; neue Akzente gab es bei wissenschaftlichen Veranstaltungen – Symposien, auch in Kooperationen, auch mit thematischen Schwerpunkten bei Franz Schubert und Franz Schmidt, bei der Präsentation neuer Lehrender an den Musik-Universitäten oder von entsprechenden Instituten. Von Carmen Ottner wurden im Bereich Interpreten die Zyklen zu Ensembles der Wiener Philharmoniker oder zu Musikerfamilien lanciert. Walburga Litschauer, die neben vielen inhaltlichen Neuerungen auch die beiden Bösendorfer-Flügel als Dauerleihgabe beisteuerte, übergab ihr Präsidentenamt im Jahr 2012 an Michele Calella (Universität Wien), dem der Fortbestand der ÖGM durch den Umzug in die neuen Räumlichkeiten im Hanuschhof zu verdanken ist. Die neuen Räume haben ihre erste Probe mit einem sehr anregenden Gluck-Symposion Ende Oktober 2014 bestanden. Im November 2014 konnte in einem gelungenen Festakt das 50-jährige Jubiläum der Österreichischen Gesellschaft für Musik gefeiert werden. Im Juni 2016 übergab Michele Calella sein Präsidentenamt an Carmen Ottner (Franz-Schmidt-Gesellschaft), die – unterstützt durch Christian Glanz und Markus Grassl (beide Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) – der Gesellschaft vorsteht.